Nachhaltigkeit und Digitalisierung in Estland: Wo „Bäume der Wahrheit“ wachsen

Nachhaltigkeit und Digitalisierung in Estland: Wo „Bäume der Wahrheit“ wachsen

Estland ist bekannt als Vorreiter der Digitalisierung: Wer hier wohnt, kann 99 % aller Verwaltungsangelegenheiten online regeln. Unser Geschäftsführer Sebastian Zoepp hatte vor kurzem die Gelegenheit, Estland im Rahmen einer Delegationsreise des Brandenburger Umweltministeriums genauer kennenzulernen.

Vom 18. bis 20. September reiste er mit einer kleinen Gruppe von Nachhaltigkeitsakteur*innen nach Tallinn, um sich über die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele auf nationaler und kommunaler Ebene zu informieren.

Bildung als Schlüssel zur nachhaltigen Entwicklung in Estland

Schon am ersten Abend ging es nach der Ankunft direkt in den Tagungsraum. Hier sprach die Gruppe mit Frau Prof. Helen Sooväli-Sepping, Vizerektorin für Nachhaltigkeit und grüne Transformation an der Technischen Universität Tallinn, und Frau Kaidi Tamm vom Stockholm Environmental Institute. Im Mittelpunkt stand die Rolle von Bildung für die nachhaltige Entwicklung Estlands. Es wurde deutlich, dass Estland hier noch erheblichen Nachholbedarf hat und an einem Austausch mit deutschen BNE-Akteur*innen sehr interessiert ist.

Am nächsten Morgen begann der Tag nach einer herzlichen Begrüßung in der Deutschen Botschaft mit einem Besuch im E-Estonia Briefing Centre. Hier erhielt die Delegation einen ersten Einblick in die digitale Welt Estlands, wo tatsächlich alles – vom Beantragen der Geburtsurkunde bis zur Hundesteuer – über einen Webbrowser und einen digitalen Ausweis geregelt werden kann. So können die Einwohner selbst in ländlichen Regionen problemlos Behördengänge erledigen, ohne das Haus verlassen zu müssen. Wie großartig wäre es, wenn so etwas auch in Brandenburg oder gar in ganz Deutschland Realität würde?!

Nachhaltigkeit transparent gemacht: Der „Baum der Wahrheit“ in Estland

Die Digitalisierung als Unterstützung der nachhaltigen Entwicklung war auch ein zentrales Thema beim anschließenden Besuch des estnischen Klimaschutz- und Regionalministeriums. Frau Eili Lepik, Leiterin der Abteilung für grüne Transformation, stellte die nationale Nachhaltigkeitsstrategie „Estland 2035“ vor. Besonders interessant daran: Für diese Strategie wurden über 700 Einzelindikatoren entwickelt, mit denen die Umsetzung transparent nachvollzogen werden kann. 

Der Fortschritt wird in Form eines „Baumes der Wahrheit“ dargestellt. Jedes Blatt steht für einen Indikator, und die Farbe des Blattes zeigt an, wie weit das jeweilige Ziel erreicht wurde. Hierzu werden Daten aus allen Kommunen genutzt, die in Estland als Allgemeingut betrachtet und selbstverständlich zur Verfügung gestellt werden.

Besonders spannend ist, dass dieser „Baum der Wahrheit“ in jeder Kommune Estlands „wächst“. So können die Kommunen auf die Daten zugreifen und sehen, wie sie in der Umsetzung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie abschneiden. Es ist ebenfalls möglich, die Situation mit anderen Kommunen zu vergleichen, etwa im Bereich Umweltschutz. Alle diese Informationen sind frei im Internet verfügbar und bieten ein hohes Maß an Transparenz bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele. In dieser Hinsicht können wir von den Kolleg*innen in Estland viel lernen.

Austausch und Bürgerbeteiligung als Basis erfolgreicher Nachhaltigkeitsprojekte

Wertvolle Anregungen gab es während der Reise auch von den mitgereisten Kolleginnen aus Brandenburg. Herr Zoepp nutzte immer wieder die Gelegenheit zum Austausch über erfolgreiche Beteiligungsformate in ländlichen Gemeinden. Es wurde deutlich, dass erfolgreiche Bürgerinnenbeteiligung Geduld und eine positive Grundhaltung der Kommunalverwaltung erfordert. Wenn in Zukunft auch in Brandenburg „Bäume der Wahrheit“ sprießen, dann vielleicht, weil die Samen dieser Reise im märkischen Boden Wurzeln schlagen konnten.

Nachtrag: Unser besonderer Dank gilt Martin Pohlmann und dem Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) sowie Jana Marin von der Deutschen Botschaft, die diese Reise möglich gemacht haben.