Geld sparen, Vielfalt schützen: Wie kommunale Haushalte von weniger Mähen profitieren
Weniger Mähen, mehr Natur: Können Kommunen von extensiver Grünflächenpflege profitieren? In unserem Blogbeitrag gehen wir dieser Frage auf den Grund.
Inhalt
Klimawandel, schwindende Artenvielfalt, naturnahe Gestaltung – in vielen Kommunen sorgt dieser Dreiklang schnell für Resignation. Der Grund liegt selten am fehlenden Willen der Verwaltung, sondern oft an begrenzten Haushaltsmitteln, die die Investitionsmöglichkeiten einschränken. Doch gerade bei öffentlichen Grün- und Gemeindeflächen kann weniger Pflege mehr Nutzen bringen.
Viele Kommunen haben bereits die Vorteile einer extensiven Pflege ihrer Grünflächen entdeckt, also längere Zeitabstände zwischen der Mahd. Unser Artikel zeigt, wie die Umstellung auf eine weniger intensive Grünflächenpflege gelingen kann, was Kommunen dabei beachten sollten und wie hoch das Einsparpotenzial ist.
Weniger Mähen – Warum ist das sinnvoll?
Die herkömmliche Grünflächenpflege, bei der Rasenflächen regelmäßig kurz geschnitten werden, erweist sich langfristig als kostenintensiv und bindet wertvolle Ressourcen in Bauhöfen und bei den GaLaBau-Dienstleistern der Stadt. Ökologisch bietet diese Praxis wenig Nutzen, da häufig gemähte Flächen nur wenigen Pflanzen und Tieren Lebensraum bieten.
Wird ein Rasen seltener gemäht, fördert das in der Regel das Wachstum verschiedener heimischer Pflanzenarten und Wildblumen, deren Samen durch Wind und Tiere in den Rasen gelangen. In vielen Städten werden stark frequentierte Grünflächen wie Parks und Spielplätze in der Wachstumsperiode etwa alle zwei bis drei Wochen gemäht. Bleibt die Mahd aus, entwickeln sich nach und nach Blühpflanzen auf der Fläche.
Auswirkungen auf das Klima
Eine extensive Grünflächenpflege kann einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten:
- Verbessertes Mikroklima: Der höhere Pflanzenwuchs wirkt wie ein natürlicher Kühlmechanismus und hilft vor allem in städtischen Hitzeinseln. Denn Pflanzen speichern Feuchtigkeit und können durch Verdunstung die Umgebungstemperatur spürbar senken.
- Bessere Wasserspeicherfähigkeit: Extensive Grünflächen können mehr Regenwasser speichern und langsamer an die Umgebung abgeben, als häufig kurz geschnittener Rasen. Das unterstützt die Wasserversorgung und stabilisiert das städtische Wassermanagement im Sinne einer „Schwammstadt“.
- Weniger CO₂-Emissionen: Der geringere Einsatz von Maschinen reduziert den CO₂-Ausstoß – ein positiver Beitrag zur kommunalen Klimabilanz.
Förderung der Artenvielfalt – ein Gewinn für die Umwelt
Naturnahe Grünflächen sind ein wahrer Segen für die Biodiversität. Wissenschaftler der FU Berlin haben nachgewiesen, wie stark die Mähfrequenz die Artenvielfalt beeinflusst:
- Lebensraum für Insekten und Kleintiere: Weniger häufig gemähte Flächen bieten Unterschlupf und Nahrung für Insekten, Kleintiere und Vögel, die durch intensive Pflege oft verdrängt werden. Die Zahl der Insekten kann sich auf extensiv gepflegten Flächen um das bis zu 40-fache erhöhen
- Blühflächen und Hecken sind wahre Biodiversitäts-Hotspots: Die gezielte Integration von Blühstreifen und Hecken schafft wertvolle Rückzugsorte für die Tierwelt.
Finanzielle Vorteile für Kommunen durch reduzierte Mähfrequenzen
Durch die Reduzierung der Mähfrequenzen können Kommunen erhebliche Kosten sparen, die sich schnell summieren:
- Geringere Maschinen- und Personalkosten: Weniger häufiges Mähen bedeutet weniger Einsatz von Maschinen und Arbeitskräften. Dies schont das kommunale Budget erheblich.
- Einsparungen bei Treibstoffen und Maschinenpflege: Weniger Maschineneinsatz führt zu einem geringeren Verbrauch an Treibstoff und Wartungskosten.
Auswirkung von veränderter Pflegestrategie auf die Kosten (Quelle: stadtundgruen.de)
Wenn die Grünflächenpflege durch kommunale Unternehmen oder langfristig gebundene Dienstleister übernommen wird, sind die direkten Einsparungen für die Kommune möglicherweise geringer. Aber die freiwerdenden Kapazitäten können in diesen Fällen idealerweise an anderen Objekten der Kommune eingesetzt werden oder gezielt in die Anlage von zusätzlichen Blühwiesen investiert werden.
Herausforderungen und mögliche Nachteile
Die Umstellung auf extensive Pflege bringt allerdings auch Herausforderungen mit sich. Oft stoßen Veränderungen anfangs auf Widerstand, nsbesondere bei Bürgern, die an kurz gemähte Rasenflächen gewöhnt sind:
- Ästhetische Bedenken: Viele Bürger empfinden kurz gemähte Rasenflächen als „gepflegt“, während naturnahe Flächen oft als „unordentlich“ wahrgenommen werden.
- Eingeschränkte Nutzbarkeit: Hohe Vegetation kann die Nutzung für Sportarten wie Fußball oder Picknicks einschränken.
- Übergangsprobleme: Die Etablierung einer artenreichen Vegetation ist ein Prozess, der Zeit und Geduld erfordert. Bis sich eine Rasenfläche in eine blühende Wiese gewandelt hat, kann die Fläche vorübergehend weniger attraktiv erscheinen. Aber auch „Allerweltsarten“ wie Schafgarbe oder Lichtnelke sind attraktiv und bieten Nahrung für Insekten
Aber die ästhetische Wahrnehmung wandelt sich: Die Mehrzahl der Befragten in einer Studie der Stadt Greifswald in Zusammenarbeit mit der dort ansässigen Universität bevorzugten strukturreiche und naturnah aussehende Grünflächen. Bereits heute lohnt es sich, Maßnahmen zu ergreifen, um die Herausforderungen zu meistern:
- Transparente Kommunikation: Kommunen sollten die Bürger über die ökologischen und finanziellen Vorteile aufklären, die mit einer extensiven Grünflächenpflege verbunden sind. Eine gute Kommunikation und eine Kennzeichnung der Veränderungen auf den Flächen tragen zur Akzeptanz bei.
- Partizipative Ansätze: Durch Bürgerbeteiligung und Informationsveranstaltungen vor Ort lässt sich Verständnis für die neue Pflegepolitik zusätzlich fördern.
- Flexible Flächenplanung: Eine Kombination aus extensiv und intensiv gepflegten Zonen sorgt für Vielfalt und Flexibilität. Dies kann zum Beispiel durch intensiv gepflegte Sportflächen oder einen 1 Meter breiten „Akzeptanzstreifen“ entlang von Gehwegen erreicht werden.
- Schrittweise Umstellung: Niemand mag abrupte Veränderungen und auch kommunikative Maßnahmen erreichen Bürger*innen in unterschiedlicher Geschwindigkeit. Eine schrittweise Einführung der naturnahen Pflege ermöglicht es Bürgern, sich an die neue Ästhetik zu gewöhnen.
Beispiele
Folgende Kommunen haben sich bereits erfolgreich der extensiven Pflege von Grünflächen verschrieben:
- Greifswald: Die Stadt hat ein differenziertes Pflegekonzept mit fünf Pflegestufen eingeführt, wobei die fünfte Stufe für extensive, ökologische Flächen vorgesehen ist. Eine Umfrage zeigte, dass eine extensive Grünflächenpflege durchaus Befürworter in der Stadt hat
- Tübingen: Hier wurde 2010 die studentische Initiative „Bunte Wiese“ gegründet, um eine naturschutzfachliche Optimierung der Grünflächenpflege zu fördern
- Marburg: Die Stadt hat ein Projekt zur Umwandlung von tristen Rasenflächen in bunte Mietergärten umgesetzt
- Kassel: Hier wurde ein Gemeinschaftsgarten anstelle von ödem Abstandsgrün angelegt
- Frankfurt: Die Stadt hat verschiedene Garteninitiativen zur Förderung der Artenvielfalt ins Leben gerufen
- Darmstadt: Die Kommune setzt auf Kooperationen für mehr Stadtnatur
Fazit – Warum weniger Mähen mehr bringt
Die Umstellung auf eine extensive Grünflächenpflege ist eine Entscheidung für die Zukunft. Sie fördert die Artenvielfalt, schützt das Klima und spart langfristig Kosten. Trotz anfänglicher Herausforderungen überwiegen die Vorteile deutlich und tragen zu einer nachhaltigeren Stadtentwicklung bei. Die Umstellung auf naturnahe Grünflächen ist eine Investition in die Zukunft, die Kommunen nicht nur ökologisch, sondern auch finanziell aufblühen lässt.
Die SPREEAKADEMIE begleitet Kommunen in der praktischen Umsetzung solcher klimafreundlichen Maßnahmen und stellt umfangreiche Bildungsmaterialien und -angebote bereit.
PartizipNatur – Gemeinsam Zukunft gestalten. Naturnah!
Mit unserem Projekt PartizipNatur wollen wir zeigen, wie Gemeinden und ihre Bürger*innen aktiv Verantwortung für ihre Umwelt übernehmen können.
Gemeinsam mit der Stadt Vetschau und den 10 Ortsteilen entwickeln wir lokale Lösungen für öffentliche Grünflächen, um die ökologische Nachhaltigkeit zu fördern. Durch die aktive Einbindung der Menschen vor Ort stärken wir nicht nur den Zusammenhalt in der Gemeinde, sondern schaffen auch konkrete Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität – zum Beispiel mit bienenfreundlichen Staudenbeeten auf Dorfplätzen oder naturnah gestalteten Spielplätze mit Naschecken.
Weitere Informationen
Diese Links bieten weiterführende Informationen zu naturnaher Pflege und erfolgreichen kommunalen Projekten.
Für Maßnahmen zur Bürgerbegeisterung:
- http://imperia.verbandsnetz.nabu.de/imperia/md/content/badenwuerttemberg/themen/broschu_____re_natur_nah_dran2018_ansicht.pdf
- https://fokus-n.ch/fachthemen/naturnahe-pflege
- https://bluehende-landschaft.de/bluehflaechen/oeffentlicher-raum/
- https://digitalcollection.zhaw.ch/server/api/core/bitstreams/90b2e0a2-af42-4430-8210-dfc37492b51c/content
Beispiele erfolgreicher Kommunen:
- https://www.nul-online.de/themen/landschafts-und-umweltplanung/article-6780122-201982/auswirkungen-des-managements-auf-den-zustand-und-die-akzeptanz-der-gruenflaechen-in-greifswald-.html
- https://www.kreis-lippe.de/kreis-lippe-wAssets/docs/fachbereich-umwelt-energie/landschaft-naturhaushalt/FG670_Lebendige_Vielfalt_Lippe_-_Foerderung_der_Artenvielfalt.pdf
- https://www.hessen-nachhaltig.de/files/content/downloads/biologische_vielfalt/hmuklv_massnahmenkatalog_rz_bf.pdf
- https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/landwirtschaft/gruenland/gr__nlandpflege-klimaschutz.pdf
- https://www.fnr.de/fileadmin/Projekte/2024/Mediathek/Leitfadern_EE_Kommunen_web.pdf
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